Der Reinhold-Tüxen-Preisträger 2009 Prof. Heinrich E. Weber
Die Stadt Rinteln hat zum Andenken an ihren Ehrenbürger, den Vegetationswissenschaftler Prof. Dr. Drs. h. c. mult. Reinhold Tüxen, den mit 5000 Euro dotierten Reinhold-Tüxen-Preis gestiftet, der seit 1987 verliehen wird, um Persönlichkeiten auszuzeichnen, die Hervorragendes in der Forschung und der Anwendung auf dem Gebiet der Vegetationskunde im In- und Ausland geleistet haben.
Dieser Preis ist bislang der einzige Wissenschaftspreis, der ausschließlich an Persönlichkeiten aus den ökologisch-vegetationskundlichen Disziplinen verliehen wird und deshalb auch international große Beachtung findet.
Auf Empfehlung des Kuratoriums der Reinhold- und Johanna-Tüxen-Stiftung wurde der Tüxen-Preis 2009 am 8. Mai 2009 um 15.00 Uhr im Saal des historischen Ratskellers der Stadt Rinteln, Marktplatz 6, 31737 Rinteln, an
Herrn Prof. em. Dr. phil. Dr. rer. nat. Dr. rer. nat. h. c.
Heinrich E. Weber
verliehen.
Heinrich E[gon]. Weber wurde am 27. März 1932 in Osnabrück geboren als Sohn des Lehrers, Komponisten und Chorleiters Willy Weber und seiner Ehefrau Helene. Er war der älteste von vier Geschwistern. Nach Besuch der Grundschule und des Gymnasiums legte er 1951 in Osnabrück sein Abitur ab und strebte danach das Studium für das Höhere Lehramt mit den Fächern Musik und Biologie an. Sein Interesse an Musik und dabei besonders am Klavierspiel wurde durch sein Elternhaus geprägt. Unabhängig davon regte sich Interesse an Biologie bereits im Grundschulalter unter anderem durch Haltung von Aquarien und Terrarien. Später verlagerte es sich zunehmend auf die Botanik, vor allem im Zusammenhang damit, dass er versuchte, die letzten Reste naturnaher Landschaften in Nordwestdeutschland wie beispielsweise Hochmoore und Naturgewässer zu erkunden. Darüber veröffentlichte er mit einem Co-Autor noch vor Beginn des Studiums eine Zeitungs-Artikelserie mit Bildberichten. Ein wesentliches Anliegen war ihm schon frühzeitig der Naturschutz und auf seine Anregung wurden bereits in den 1950er Jahren in Zusammenwirken mit den damaligen Naturschutzbeauftragten Gebiete in Westfalen und Niedersachsen als Naturschutzgebiete ausgewiesen.
Nach Fabrikarbeit zur Finanzierung des Studiums und vorbereitenden Studien am Konservatorium in Osnabrück für die Aufnahmeprüfung an der Musikhochschule begann Weber 1953 mit dem Studium an der Musikhochschule und gleichzeitig an der Universität in Hamburg. Hier legte er 1956 das Staatsexamen für Musik im Höheren Lehramt ab. Bei der gewählten Fächerkombination war es Vorschrift, für das 1. Staatsexamen ein Thema aus dem Fach Musikwissenschaft zu bearbeiten. Diese Examensschrift über einen Komponisten des 15.-16. Jahrhunderts wurde hervorragend beurteilt mit der Empfehlung, sie für eine Dissertation auszuarbeiten. Dieses erfolgte im Jahre 1962 nach Abschluss des Staatsexamens im Fach Biologie mit der Promotion zum Dr. phil. an der Universität in Hamburg. Vorher hatte er im Jahre 1960 das 1. Staatsexamen für Biologie an der Universität Hamburg abgelegt. Zu seinen akademischen Lehrern im Fach Botanik gehörte unter anderen Heinz Ellenberg.
Bei der Arbeit an der Dissertation zum Dr. phil. erkannte Weber, dass er ein großes Interesse an wissenschaftlicher Arbeit hatte, dieses aber nicht primär in Musikwissenschaft, sondern in Botanik, und dass er nunmehr das Ziel anstrebte, Hochschullehrer zu werden. Zur Promotion im Fach Botanik bei dem Geobotaniker Prof. Dr. Ernst-Wilhelm Raabe wechselte er an die Universität Kiel, wo er aus formalen Gründen noch zusätzliche Studienleistungen zu erbringen hatte. Als Thema wurde die Vegetation und Ökologie der Wallhecken („Knicks") in Schleswig-Holstein gewählt, eine wegen der dort vorkommenden Pflanzenarten und wegen des Ökoton-Biotopcharakters (störungsanfällige Grenzbereiche zwischen Gebüschen, Äckern und Grünland) schwierige Materie, über die bis dahin erst wenige Untersuchungen vorlagen. Die Promotion zum Dr. rer. nat. („summa cum laude") erfolgte 1966. Vom 1.7.1966 bis 31.3.1968 war Weber wissenschaftlicher Assistent bei Prof. Dr. Raabe am Botanischen Institut der Universität Kiel.
Im Zusammenhang mit seinen Untersuchungen der Wallhecken-Vegetation erkannte Weber die besondere Bedeutung der Brombeerarten (Gattung Rubus L.), die mit hoher Biodiversität die weitaus größte Zahl der in den Gebüschen vorhandenen Arten stellen. Es gab in Deutschland niemanden, der diese Arten ausreichend kannte, zumal viele davon überhaupt noch nicht ermittelt, beschrieben und benannt waren. Weber konzentrierte sich im Rahmen seiner für die Habilitation vorgesehenen Arbeit auf die Taxonomie, Morphologie, Chorologie, Soziologie und Ökologie der zahlreichen Brombeer-Arten und fertigte eine Monographie über „Die Gattung Rubus L. (Rosaceae) im nordwestlichen Europa" an, die – durch Vermittlung von Reinhold Tüxen – mit 512 Seiten als Band VII der Phanerogamarum Monographiae im Verlag Cramer (Lehre) publiziert wurde.
Auf eigenen Wunsch beendete Weber 1968 seine Tätigkeit als Wissenschaftlicher Assistent am Botanischen Institut in Kiel und wechselte in den Höheren Schuldienst in Hamburg, da er später als Hochschullehrer auch in der Lehrerausbildung tätig sein wollte. Hierfür wurde Schulerfahrung gefordert. Wegen „besonderer Eignung" wurde seine Referendarzeit von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. Danach wurde er zunächst Studienassessor in Hamburg und wechselte 1970 nach Niedersachsen an das Gymnasium in Melle (Landkreis Osnabrück) wo er zum Studienrat und bereits 1973 zum Oberstudienrat ernannt wurde.
Im Jahre 1973 bewarb sich Weber um eine Professur an nordwestdeutschen Universitäten und wählte aus drei gleichzeitigen Angeboten den Lehrstuhl für Biologie (Schwerpunkt Botanik) und Didaktik der Biologie an der Universität Osnabrück, Abt. Vechta. In Vechta lehrte er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 2000.
Schwerpunkte seiner Forschungen sind die Taxonomie (Biodiversität) der Farn- und Blütenpflanzen (besonders der Gattung Rubus), Entwicklung und Stand der Flora in Westniedersachsen mit angrenzendem Westfalen, Syntaxonomie insbesondere der Gebüschgesellschaften, außerdem der Moore, Gewässer und anderer Biotoptypen, Naturschutzmanagement (u. a. Regeneration von Hochmooren) und syntaxonomische Nomenklatur (seit 1987 President of the Nomenclature Commission of the International Association for Vegetation Science). Weber war mit Reinhold Tüxen seit den 1950er Jahren persönlich bekannt, hat ihn häufig in Stolzenau und später in Rinteln-Todenmann besucht und eine rege Korrespondenz mit ihm unterhalten.
Heinrich E. Weber war seit 1969 mit Elisabeth Weber, geb. Dreyer, verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebte in Bramsche nördlich von Osnabrück, wo er am 2. Mai 2020 verstarb.
Ehrenämter (Auswahl)
Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Norddeutschen Naturschutzakademie (jetzt Alfred-Toepfer-Akademie für Naturschutz) (1981-1991)
Gutachter im Interministeriellen Ausschuss zur Förderung der Forschung in Niedersachsen (1982-1995)
Präsident des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück (1983-2007)
President of the Nomenclature Commission of the International Association for Vegetation Science (seit 1987)
Mitglied des Stiftungsrats der Umweltstiftung Weser-Ems, Oldenburg (seit 1989)
Naturschutzbeauftragter und hinzu gewähltes Ratsmitglied der Stadt Osnabrück (1990-2005)
Vizepräsident der Akademie für ökologische Landeserforschung (AFÖL), Münster (seit 2003)
Ehrungen
Ehrenmitglied der Tschechischen Botanischen Gesellschaft (seit 1992)
Ehrenmitglied des Naturwissenschaftlichen Vereins Bremen (seit 1997)
Festschrift anlässlich des 65. Geburtstags (Osnabrücker Naturwissenschaftliche Mitteilungen 23. 1-348 (1997). – Festkolloquium in Osnabrück am 25. 4. 1997
Ehrenmitglied der Bayerischen Botanischen Gesellschaft (seit 2000)
Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande (seit 2003)
Dr. rer. nat. h.c. des Fachbereichs Umweltwissenschaften der Universität Lüneburg (seit 2005)
Ehrenmitglied der Floristisch-Soziologischen Arbeitsgemeinschaft (seit 2006)
Ehrenpräsident des Naturwissenschaftlichen Vereins Osnabrück (seit 2007).
Ehrungen durch Benennung von Pflanzen- und Tierarten (Verbreitungsgebiete)
Rubus henrici-egonis Holub 1991 (Tschechien, Polen, Slowakei)
Rubus weberanus Monasterio-Huelin 1993 (Portual, Spanien)
Rubus bonus-henricus Matzke-Hajek 1995 (Deutschland, Luxenburg)
Rubus henrici-weberi Beek 1997 (Deutschland, Niederlande)
Rubus batos-weberi Loos 1999 (Deutschland)
Halolaelaps weberi Blaszak & Ehrnsberger 1998 (Milbenart, Europa)
Impressionen und Presseartikel zur Preisverleihung finden Sie hier.