Wappen und Siegel der Stadt Rinteln
Ein eigentliches Wappen, als Repräsentations- Eigentums- oder Kampfzeichen führten bis in das 19. Jahrhundert nur mächtige, politisch einflussreiche Städte.
Kleinere, an den Landesherrn gebundene Stadtgemeinden wie Rinteln beschränkten sich auf die Führung eines eigenen, charakteristischen Siegels. Aus ihm entwickelte sich später das allgemeingültige Hoheitszeichen des Stadtwappens.
Für Rinteln ist ein eigenes Siegel erstmals für das Jahr 1281 belegt. Dieses städtische Hoheitszeichen bestand in einer einfachen Wiedergabe des gräflich-schaumburgischen Nesselblattes und machte noch die starke Nähe und Abhängigkeit der jungen Siedlung von ihrem Landesherrn deutlich.
Erst im Laufe des 14. Jahrhunderts gewann Rinteln durch die Verleihung einer Reihe wichtiger Privilegien von der Gerichtsbarkeit bis zum Zollrecht eine größere Eigenständigkeit, die auch in seinem Stadtsiegel ihren Ausdruck fand.
Ein seltener Glücksfall ist es, dass sich der Siegelstempel, das sogenannte Typar, des spätmittelalterlichen Rinteln bis heute im städtischen Archiv erhalten hat.
Entstanden um 1400 zeigt es über den stilisierten Wellen des Weserflusses ein gotisches Architekturensemble mit Maßwerkfenstern und Dachornamentik, flankiert von zwei schlanken, freistehenden Türmen. Davor befindet sich in gelehntem Schild das schaumburgische Nesselblatt. Die Umschrift lautet:
"Sigillum burgencium civitatis rintelen",übersetzt in etwa:
"Bürgerschaftssiegel der Stadt Rinteln".
Nicht nur in Hinblick auf die Symbolik seines Bildinhalts, hebt es sich von seinen Vorgängern und Nachfolgern ab, auch die erstaunlich sorgfältige Ausführung des bronzenen Typars ist bemerkenswert.
Als ein Meisterwerk mittelalterlicher Kunstschmiedearbeit gehört es zu den besterhaltenen niedersächsischen Siegelstempeln dieser Zeit. Um 1580, als die Stadt eine wirtschaftliche Blüte erlebte, entschied sich der Rat für eine neue, zeitgemäße Ausarbeitung des Stadtsiegels. Die gotische Architektur wurde durch Renaissanceformen ersetzt, die wohlüberlegten Merkmale des Mittelaltertypars mussten einer oberflächlichen, am Zeitgeschmack orientierten Gesamtoptik weichen.
Die schwerwiegendste Veränderung war dabei das unerklärliche Weglassen der Flusssymbolik. Mit ihr verlor das Siegel ein wesentliches Merkmal seiner Originalität. Hinzu kam dagegen überflüssiges manieristisches Beiwerk ohne symbolische Bedeutung, wie die beiden Schützen. Insgesamt fünf Türme und Türmchen sollten eine prächtige und vor allem moderne Stadtkulisse wiedergeben und auch mit anderen, heraldisch keineswegs unbedeutenden Details nahm man es nicht genau. Statt des geneigten Schildes mit dem Nesselblatt trat ein ungenau wiedergegebenes, stehendes, das zudem nach dem Beispiel etlicher, benachbarter Städte in den Bogen eines Stadttores gestellt wurde.
Und noch eine Veränderung, die vermutlich den Anlass der Neuanfertigung gegeben hat, fällt auf. Während sich der mittelalterliche Siegelstempel mit 7,2 cm Durchmesser und tiefer Ausarbeitung ausschließlich für anhängende Wachssiegel an Pergamenturkunden Verwendung fand, eignete sich das flachere nur 3,9 cm messende neuzeitliche Typar sowohl hierfür als auch für die flacheren Oblatensiegel. Sie wurden unter Auflegen eines feinen Papierblättchens direkt auf das Dokument aufgebracht und kamen seit dem 16. Jahrhundert zunehmend in Gebrauch.
Mehr als 300 Jahre behielt das Siegelbild des 16. Jahrhunderts seine Gültigkeit, wenngleich sich unterdessen seit dem 19. Jahrhundert mehr und mehr Tintenstempel für die alltägliche Verwendung im immer umfangreicheren Schriftverkehr in Gebrauch durchsetzten.
Starker Abnutzung ausgesetzt zeigten sie, wohl der Einfachheit halber, nur ein schlichtes Nesselblatt. Das eigentliche Stadtsiegel dagegen trat mehr und mehr in den Hintergrund und blieb nur noch besonderen Anlässen vorbehalten. 1939, anläßlich der 700-Jahrfeier Rintelns, wurde das Siegelbild neu überarbeitet und gleichzeitig als verbindliches Wappen verliehen.
In ihm kommt der Fluß wieder zu seiner verdienten Geltung und auch das Nesselblatt, das während der Renaissancezeit in unzulässiger Weise verfremdet worden war, erhielt seine ursprüngliche, heraldisch richtige Gestalt wieder zurück. Auch die Stadtfarben weiß (heraldisch = silber) und rot wurden nun, obwohl bereits seit Jahrzehnten so verwendet, erstmals verbindlich festgelegt.